Die Jüdische Gemeinde zu Oldenburg hat zum 100. Geburtstag von Albrecht Weinberg, einem unermüdlichen Mahner, Zeitzeugen und Brückenbauer zwischen Vergangenheit und Zukunft, den Albrecht-Weinberg-Preis ins Leben gerufen. Diese Medaille, die ab dem kommenden Jahr für besonderes soziales Engagement und Verdienste um die Gemeinschaft verliehen wird, trägt das Vermächtnis Albrecht Weinbergs weiter – seinen Geist der Aufklärung, der Erinnerung und der Menschlichkei
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Verwendungszweck: Albrecht-Weinberg-Preis
Wir danken den zahlreichen Gästen, die mit Albrecht Weinberg und uns seinen 100. Geburtstag am 09.03.2025 im PFL gefeiert haben.
Biografie Albrecht Weinberg
Albrecht Weinberg, einer der wenigen, noch lebenden Zeitzeugen der Shoah, wurde am 7. März 1925 in Rhauderfehn, Ostfriesland bei Leer geboren. Dort verbrachte er, bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten, eine ruhige Kindheit mit seinen Eltern und beiden Geschwistern Dieter und Friedel. Mit der allmählichen Entrechtung jüdischer Menschen ab 1933, war auch Familie Weinberg den antisemitischen und hasserfüllten Verfolgungen ausgesetzt. Nicht nur wurden die Kinder von ihren Schulen verwiesen, sie verloren mit der „Zwangsausbürgerung“ ihr Zuhause, erlebten Deportationen in Arbeits- und Konzentrationslager, wie Auschwitz, Mittelbau-Dora, Theresienstadt, Bergen-Belsen. Albrecht Weinbergs Eltern wurden 1944 im KZ Auschwitz ermordet, er und seine Geschwister überlebten.
Nach dem tragischen Unfalltod vom ältesten Bruder, emigrierten Friedel und Albrecht 1947 in die USA. Im Februar 2012 zogen sie zurück nach Leer, wo Friedel im Mai verstarb. Jahrelang hat Albrecht nicht über seine Erlebnisse während der Shoa erzählt, doch seit er wieder in Deutschland ist, leistet er wichtige Zeitzeugenarbeit, indem er, u.a. an Schulen, Vorträge über die Ereignisse in der NS-Zeit hält. Die Schülervertretung „seiner“ alten Schule hatte daraufhin mithilfe einer Petition erreicht, dass das Gymnasium nach ihm benannt wurde: „Albrecht-Weinberg-Gymnasium“. Heute ist Albrecht Weinberg Ehrenbürger seines Geburtsortes Rhauderfehn, Leer in Ostfriesland, und von Nordhausen im Harz. Darüber hinaus ist er Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg.
Pressestimmen
Ein Jahrhundert-Zeuge – Der Auschwitz-Überlebende Albrecht Weinberg wird 100 Jahre alt
von Karen Miether (epd) Evangelischer Pressedienst (epd) – Landesdienst Niedersachsen/Bremen
Albrecht Weinberg wird am 7. März 100. Er gehört zu den wenigen
Zeitzeugen, die noch von der Verfolgung und Ermordung der Juden
berichten können. Gerda Dänekas hat ihn ermuntert, seine Geschichte
zu erzählen – und damit beider Leben verändert.
Leer (epd). Albrecht Weinberg ist noch immer als Zeitzeuge gefragt
und als Mahner zuweilen unbequem. Zuletzt machte er Schlagzeilen,
weil er sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben hat – aus Protest
dagegen, dass die Unionsparteien im Bundestag mit den Stimmen der AfD
einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik durchgebracht
haben. «So fing es an, als ich Kind war», mahnt der
Holocaust-Überlebende, der im ostfriesischen Leer lebt. «Wenn die
Rechten erst einen Fuß in die Tür kriegen, kommt der ganze Körper
hinterher.»
Am 7. März wird Albrecht Weinberg 100 Jahre alt. Er hat die Lager
von Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt – und drei
Todesmärsche. «Das ist seit 80 Jahren in meinem Kopf», sagt er. «Ich
brauche mich nur zu waschen, dann sehe ich meine Häftlingsnummer.»
Heute ist er auch im Wortlaut ein Jahrhundert-Zeuge. Anlässlich
seines Geburtstags plant die Stadt Leer einen Empfang zu seinen
Ehren, ein paar Tage vorher hat sich Niedersachsens Ministerpräsident
Stephan Weil (SPD) bei ihm angesagt. Auch die jüdische Gemeinde in
Oldenburg plane eine Feier, erzählt er, ebenso wie das nach ihm
benannte Albrecht-Weinberg-Gymnasium in seinem Geburtsort
Rhauderfehn.
«Mit einem hundertjährigen Körper ist das nicht so einfach», sagt
Weinberg. Doch mit Ruhepausen zwischendurch werde es schon gehen. «Es
zippt hier und da ein bisschen, aber im Großen und Ganzen bin ich
ok.» Und sein Kopf sei wohl noch keine 100. «Der ist falsch
eingeschraubt», fügt er mit verschmitztem Humor an. Wie wach Weinberg
und seine Erinnerungen sind, wird immer wieder deutlich, wenn er aus
seinem Leben erzählt. Er gehört zu den ganz wenigen, die noch
berichten können, wie in der NS-Diktatur die Ausgrenzung der Juden in
Deutschland begann, an deren Ende die Ermordung von Millionen von
Menschen stand.
«Wir waren Ostfriesen. Wir waren nichts anderes», blickt der
weißhaarige Mann mit dem schmalen Gesicht zurück auf seine Kindheit
in Rhauderfehn. Sein Vater hatte für Deutschland im Ersten Weltkrieg
gekämpft. Und doch wurde dieser nie zuerst mit seinem Vornamen Alfred
angesprochen. Immer schickten sie zuerst «de Jööd» voran,
plattdeutsch für «der Jude». «Ich war elf, da haben sie mich von der
Schule geworfen», sagt Weinberg. Freunden wurde verboten, mit ihm zu
spielen.
Albrecht Weinbergs Eltern wurden 1945 in Auschwitz ermordet.
Dorthin verschleppten sie auch ihn, in einem Viehwaggon. «Ich weiß
nicht, wie viele Tage wir unterwegs waren.» Bei ihrer Ankunft hörten
sie Schreie: «Raus, raus.» Hunde bellten. «Wir wurden sortiert.» Dass
diejenigen, die in eine andere Richtung gehen mussten als er selbst,
in den Tod in den Gaskammern geschickt wurden, war ihm damals noch
nicht bewusst.
«Wissen Sie, was ein Muselmann ist?», fragt er. So hätten sie in
Auschwitz diejenigen genannt, denen man angesehen habe, dass sie dem
Tod näher gewesen seien als dem Leben. Als er am Ende seines
Leidensweges im April 1945, nach drei Todesmärschen, aus dem
niedersächsischen Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle befreit
wurde, sei er selbst ein «Muselmann» gewesen: «Ein Knochengerippe,
mit Haut überzogen, zwischen den Gerippen von Bergen von Leichen.»
Nach der Befreiung fand er seine Schwester Friedel wieder, die als
eine der wenigen der Familie überlebt hatte. Gemeinsam wanderten sie
nach Amerika aus. Dass er jemals wieder in Deutschland leben würde,
war damals undenkbar für ihn. Und doch verschlug es die beiden
Geschwister 2012 nach Leer, ganz in die Nähe ihres Geburtsortes.
Schon einige Jahre zuvor waren sie dort zu Besuch gewesen. Die Stadt
wollte an den Bau der Synagoge 100 Jahre zuvor erinnern, die 1938 bei
den November-Pogromen zerstört wurde. Weil sie hofften, andere
Überlebende zu treffen, nahmen Albrecht und Friedel Weinberg die
Reise in Kauf.
Die Kontakte, die sie in Leer knüpften, führten dazu, dass
Albrecht ein Hilfsangebot annahm, nachdem Friedel einen Schlaganfall
erlitten hatte. Beide zogen dorthin in ein Altenheim. Und die
Pflegerin Gerda Dänekas bekam kurz vor ihrem Ruhestand den Auftrag,
sich um sie zu kümmern – eine zupackende Frau, die sah, was die
beiden brauchten.
Nach Friedels Tod nahm sie Albrecht mit zu sich. Erst zu Besuch,
an den Wochenenden. «Mein inzwischen verstorbener Mann und die Kinder
unterstützten das», sagt sie. Als Weinberg in der Corona-Zeit im Heim
völlig isoliert war, zog sie in eine größere Wohnung und gründete mit
ihm eine WG. «Ich hab Schuld, dass du redest», sagt sie rückblickend
zu ihm. Das erste Mal überhaupt erzählte er 2013 einer Historikerin
der Gedenkstätte Bergen-Belsen seine Lebensgeschichte. Seitdem sind
Gerda Dänekas und er unzählige Male in Schulen unterwegs gewesen,
zuletzt bei Lesungen aus einem Buch, das der Journalist Nicolas
Büchse mit Weinberg geschrieben hat.
Die frühere Pflegerin ist Managerin und liebevolle Betreuerin in
einem. Gemeinsam pflegen sie und Albrecht Weinberg Rituale. Seit er
kaum noch sehen kann, liest sie ihm regelmäßig vor. «Immer geht es
dabei um den Holocaust», sagt sie. Doch es sind auch aktuelle
Nachrichten, die ihn beunruhigen: Das Erstarken der Rechten ist dabei
nur ein Beispiel. Mit ihm gemeinsam ist Dänekas nach New York
gereist, nach Berlin, nach Auschwitz und nach Israel. «Ich bin froh,
dass meine Enkel mit ihm aufwachsen dürfen», sagt sie. «Das alleine
ist es schon wert, dass ich mich um ihn kümmere.»
Zum «Albrecht-Weinberg-Gymnasium» in Rhauderfehn hat der
Namensgeber ein enges Verhältnis und ist dort immer wieder zu Besuch.
«Albrecht Weinberg ist für unsere Schule ein Vorbild und beeinflusst
unseren Schulalltag täglich», so erzählen es Schülerinnen und Schüler
vom Sprecherrat. «Er redet gern mit uns über den Alltag, über das,
was uns bewegt und über unsere Zukunft.» Dass die Schule seinen Namen
trägt, sehen sie dort als Verpflichtung.
Und auch Weinberg selbst empfindet im hohen Alter noch
Verpflichtungen. An den bevorstehenden Veranstaltungen zu den 80.
Jahrestagen der Befreiung von Bergen-Belsen und Mittelbau-Dora wollen
er und Gerda Dänekas teilnehmen, wie er betont: «Es ist
hundertprozentig, dass die paar Überlebenden, die es noch gibt,
versuchen, dabei zu sein.»
# epd-Service
## Info
Albrecht Weinberg, Nicolas Büchse: «Damit die Erinnerung nicht
verblasst wie die Nummer auf meinem Arm». Eine wahre Geschichte vom
Holocaust, dem Überleben und einem Versprechen, das die Zeit
überdauert. Penguin Verlag 2024. 20 Euro
## Internet
Über Albrecht Weinberg und seine Familie informiert auch ein
Gedenkort in der ehemaligen jüdischen Schule in Leer:
http://u.epd.de/39th